Gefängnisbesuche in Moldawien

von Fredi Gut

Eingang Gefängnis Nr. 15 in Cricova (Foto VEBO)

Im Rahmen eines Projektmeetings war die Delegation von VEBO eingeladen, zwei der vier Gefängnisse zu besuchen, in denen die Lernprogramme des oben genannten Projekts durchgeführt werden. Einerseits war dies das Gefängnis Nr. 15 in Cricova für den geschlossenen Vollzug, andererseits das Gefängnis Nr. 18 in Branesti für den halboffenen Vollzug.

Cricova – Gefängnis #15
Das Gefängnis in Cricova hat Platz für 470 Insassen. Die Zellengrösse variiert, die «Standardzelle» bietet Platz für 26 Personen. Zwei solche Zellen befinden sich auf einem Stockwerk. Das Stockwerk ist von 21 bis 6 Uhr abgeschlossen. In den Zellen stehen 13 Etagenbetten, Toiletten, Duschen, eine kleine Küche sowie eine Waschmaschine befinden sich in jedem Stockwerk.

In den moldawischen Gefängnissen besteht offensichtlich keine Arbeitspflicht, stehen nur 45 Arbeitsplätze zur Verfügung, an denen 90 Halbtagesjobs angeboten werden. Zur Hausreinigung sind alle inhaftierten Personen gesetzlich verpflichtet, weshalb diese Arbeiten nicht entschädigt werden.

Blick in eine typische Zelle in einem moldawischen Gefängnis (Quelle: Screenshot YouTube)

Im Gefängnis kann maximal der Mindestlohn von 180€ pro Monat verdient werden. Da nicht allen eine bezahlte Arbeit angeboten werden kann, können die inhaftierten Personen Geldbeträge in beliebiger Höhe von ihren Familien entgegennehmen.

Bild: Blick in eine typische Zelle in einem moldawischen Gefängnis (Quelle: Screenshot YouTube)

Nach Angaben des Gefängnispersonals stehen 65 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Angeboten werden kurze praktische und theoretische Fortbildungen. Beim erfolgreichen Abschluss erhalten die Teilnehmer einen Kompetenznachweis seitens der Standortgemeinde. In den folgenden Berufen werden diese Kurse angeboten: Elektriker, Sanitär, Maurer und Schweisser. Auch in Moldawien sind Handwerker mit Fachkenntnissen sehr gefragt.

Mit verschiedenen Programmen wird die Wiedereingliederung gefördert, zum Beispiel mit einem staatsbürgerlichen Kurs oder einen solchen zur Gesundheit im Gefängnis. Daneben gibt es aber auch eine ganze Reihe von Lernprogrammen zu sexueller Gewalt, zu häuslicher Gewalt, zum Drogenmissbrauch und andere psycho-soziale Interventionen wie eines Programms für die Familie, für alte Inhaftierte oder für Personen mit einem Handicap.

Die die formale wie auch die informelle Bildung sollen jener ausserhalb der Mauern weitestgehend entsprechen. Aktuell war der Schulbetrieb ferienhalber eingestellt. Der Alphabetisierungskurs wird von 4 Personen besucht. In der Freizeit kann Tennis, Fussball, Volleyball oder Schach gespielt werden. Da die Insassen viel freie Zeit haben wird auch ein Kreativatelier angeboten, in dem die inhaftierten Personen insbesondere Gegenstände aus Holz fertigen. Eine Schreibwerkstatt wird zu besonderen Feiertagen wie Muttertag, Weihnachten und Nationalfeiertag angeboten. In der Freizeit kann auch in kleinen Blumen- und/oder Gemüsegärten gearbeitet werden.

Die Gefängnisbibliothek arbeitet im Programm «Vater, lies mir etwas vor» mit der Nationalbibliothek zusammen. Inhaftierte Väter nehmen in der Gefängnisbibliothek ein Video auf, in dem sie ihren Kindern eine Geschichte vorlesen. Dieses Video kann dann in der öffentlichen Bibliothek am Wohnort der Familie von den Angehörigen angeschaut werden.

Das Gefängnis von Cricova war das erste, in dem eine orthodoxe Kirche gebaut wurde. Die Wandmalereien wurden von den Inhaftierten gestaltet. Drei Mal pro Woche wird eine Messe abgehalten, der Priester bietet zweimal pro Woche je zwei Stunden eine Unterrichtung in sozial- moralischen Fragen an.

Abschlussfoto im Gefängnis Cricova. (Foto Cricova Prison)

Der Abteilung zur sozialen Reintegration unter der Leitung von Frau Rodica Verdeș (ist im Video s.u.. zu sehen) gehört insgesamt folgendes Personal an: 2 Lehrer*innen/Erziehder*innen, 1 Sozialarbeiter*in, 4 Integrations-«Spezialist*innen», 2 Psycholog*innen und der Priester. Sie zusammen bilden das «sozial-pädagogische Team». Dieses Team ist auch dafür verantwortlich, dass in der zweiwöchigen Eintrittsphase in einem speziellen Trakt, in vielen Gesprächen ein

«Integrationsplan» erarbeitet wird. Als Zeichen ihres Einverständnisses unterzeichnen die inhaftierten Personen diesen Plan. Aber lange nicht alle würden sich an diesen Plan halten, wurde den Besuchenden mitgeteilt.

Besuchswesen. Die Inhaftierten haben Anrecht auf bis zu zwei 4-stündige Besuche pro Monat, die gesetzlich geschützt sind. Das heisst, Besuche können nicht «gestrichen» werden. Das Gefängnis weist auch mehrere Zimmer für Langzeitbesuche zwischen 12 und 72 Stunden auf. Die Inhaftierten können ihre Partnerinnen (und ihre Kinder) mindestens vier bis maximal sechs Mal zu einem solchen Besuch im Gefängnis empfangen. Die verfügbaren Zimmer unterscheiden sich in Grösse und Komfort. Dabei müssen die Zimmer gemietet werden. Die Preise richten sich nach den Tarifen der Hotels in der Umgebung. Allen steht eine gemeinsame Küche mit Esstisch zur Verfügung, in dem gekocht oder zu Hause Zubereitetes aufgewärmt werden kann.

Abschlussfoto im Gefängnis Cricova. 2.v.r. Mihai Popescu, GRADO, Projektpartner Rumänien; 3.v.r. (hinten) Projektleiterin Iuliana Curea, IRIS; 4. v.r. Rodica Verdeș Leiterin der Integrationsabteilung;
5.v.r. (hinten) Manfred Flühmann, Co-Projektkoordinator VEBO; 6. v.r. Thomas Wüthrich, Co- Projekt-koordinator VEBO. (Foto Cricova Prison)

Eingangsbereich des Gefängnisses Nr. 18, Brăneşti (Foto VEBO)

Brăneşti – Gefängnis #18
Das Gefängnis Brăneşti ist eine Vollzugseinrichtung für den halb-offenen Vollzug und verfügt über ein Haus ausserhalb der Gefängnismauern, das gemäss schweizerischen Standards als Wohn- und Arbeitsexternat dient. Auffallend im Vergleich zum Gefängnis in Cricova war, dass die Anlage bedeuten mehr frei zugänglichen Aussenraum bietet und teilweise fast parkähnlichen Charakter hat.

Bild: Eingangsbereich des Gefängnisses Nr. 18, Brăneşti (Foto VEBO)

In der Vollzugseinrichtung waren zum Zeitpunkt des Besuchs 516 Personen inhaftiert. In einem

«Block» werden bis zu 78 Personen untergebracht. Dabei stehen Zellen verschiedener Grösse zur Verfügung. In der grössten hat 56 Schlafplätze mit Etagenbetten, es gab aber auch kleine Zimmer mit 4 Betten. Ja, es hatte sogar ein Einzelzimmer. Innerhalb eines Blocks und dessen Umschwung können sich die Inhaftierten während 24 Stunden frei bewegen. Gegessen wird üblicherweise im Gemeinschaftsraum. Das Essen kann aber auch abgeholt und in der Zelle zu sich genommen werden.

Für «vulnerable Personen» steht auf eigenen Wunsch oder per richterlicher Verfügung eine eigene Abteilung zur Verfügung. Zwischen den Zeilen war zu interpretieren, dass es sich dabei zum Beispiel um Homosexuelle oder Transmenschen handeln kann.

House of the "Residential and Working Externat" (Foto VEBO)

Der russische Angriff auf die Ukraine zeitigte auch Folgen für die Vollzugseinrichtung. Bis dahin konnten in einer Produktionsstrasse mit 69 Arbeitsplätzen Schuhe für die Ukraine hergestellt werden. Das dazu notwendige Material wurde aus dem Nachbarland geliefert und die fertigen Schuhe gingen zurück in die Ukraine. Hier wurde 5 Tage in der Woche à 8 Stunden gearbeitet. Damit erreichte man den gesetzlichen Mindestlohn von 180€ pro Monat. Nebenbei wurde jeder absolvierte Arbeitsmonat mit einer Reduktion der Strafe um 13 Tage belohnt. In der Vollzugseinrichtung gibt es kein Bargeld. Einnahmen und Ausgaben werden auf ein Kontoblatt festgehalten. Mit dem Kontoauszug können auch Einkäufe im internen Kiosk getätigt werden.

Haus des Wohn- und Arbeitsexternats (Foto VEBO)

Blick in ein Zimmer von Inhaftierten (Foto VEBO)

Je 25 Personen arbeiten ausserhalb der Gefängnismauern im anstaltseigenen Weinberg respektive in der Kalksteinmine. Die inhaftierten werden dabei von bewaffneten Aufseher*innen überwacht. 15 Personen arbeiten im Rahmen des Arbeitsexternats und ausgestattet mit Fussfesseln (EM) in privaten Firmen in der Region.

Blick in ein Zimmer von Inhaftierten (Foto VEBO)